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Erntedank - worum geht es?

Andreas Musolt/pixelio.de

Foto: © Andreas Musolt/ pixelio.de (www.pixelio.de)

Erntedanksekunde • von Matthias Braun

Das Erntedankfest ist ein Höhepunkt im Kirchenjahr. Am 1. Sonntag im Oktober werden Altäre mit Feldfrüchten, Korn und Broten geschmückt. Kinder aus dem Kindergarten spielen ein Theaterstück. Zusammen mit Eltern, Großeltern und Pfarrer singen sie gemeinsam Herbstlieder.

Der Schmuck auf dem Altar zeigt, dass Erntedank ein Fest der Landwirtschaft ist. Aber auch in Großstädten – ganz ohne Landwirte in der Nachbarschaft – wird Erntedank groß gefeiert. Warum eigentlich? Eine klare Antwort darauf lässt sich in einer Sekunde kaum geben. Erntedank ist ein Phänomen!

Zeit zu danken

Natürlich geht es zunächst ums „Danke“ sagen. Jeder Mensch ist auf Hilfe angewiesen, und er hilft, wo er kann. Das kleine Wort „Danke“ zeigt: Etwas hat sich gut gelöst! Mit viel Energie und Einsatz sind wir im Beruf tätig, helfen dem Nachbarn, erziehen unsere Kinder. Es tut gut, wenn uns für die Mühen ein „Danke“ gesagt wird. Die Arbeit kann niedergelegt werden. Ein weiterer Abschnitt im Leben ist vollendet. Zeit für ein „Danke“!

Aber nicht nur unseren Mitmenschen danken wir. An Erntedank feiern wir auch das Leben an sich. Nicht umsonst liegen Nahrungsmittel auf dem Altar. Die Kinder gestalten Kunstwerke aus bunten Herbstblättern und stecken Kastanienfiguren zusammen. Die Welt ist farbenfroh – Kinder feiern das oft viel unbeschwerter und selbstverständlicher als Erwachsene. Da können die Erwachsenen noch einiges lernen.

Mehr freuen und danken

Kinder freuen sich noch unmittelbar an der Schöpfung. Jedes Blatt wird gesammelt und stolz herumgezeigt, jede Kastanie wird auf ihre Einzigartigkeit hin untersucht. Erwachsene haben diese kindliche Freude leider zu oft verloren, die Freude an der Schönheit der Welt. Im ersten Kapitel der Bibel heißt es: „Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte und siehe: Es war sehr gut.“ Wenn das kein Grund zur Freude und für ein „Danke“ ist.

Den Kindern ist dabei ganz klar, dass sie danach darüber nachdenken, wie all das Schöne erhalten werden kann. Bei Kindern gilt: erst danken, dann denken – eine gute Reihenfolge! Die positive Dankenergie wird in Denkenergie umgewandelt. Danken und denken – ein untrennbares Paar, das sich jedes Jahr feiern lässt, und dafür ist keine Sekunde zu viel!

Noch eine Sekunde Zeit?

Erntedank gehört zu den ältesten Festen der Menschheit überhaupt. Früher noch nicht unter diesem Namen bekannt, fanden doch alle Religionen die Möglichkeit, ihrem Gott oder ihren Göttern zu danken und ihnen Opfergaben in Form von Feldfrüchten zu überbringen. Unsere Früchte auf dem Altar heute sind noch ein Echo dieser Bräuche.

Auch das Israel des Alten Testaments kennt diese Feste: Passah, das Wochenfest und das Laubhüttenfest waren die drei Feste, in denen ein agrarisch geprägtes Volk danken und feiern konnte. An Passah dankte man für den Nachwuchs in den Herden, beim Wochenfest feierte man die eingebrachte Ernte und beim Laubhüttenfest die Weinlese.

Gesegnete Saat

Im Mittelalter feierten die Christen sogenannte Votivmessen zum Erntedank und zur Segnung der Früchte und des Feldes. Diese Messen wurden direkt auf dem Feld oder am Weinberg gelesen. Votivus bedeutet „versprochen/geweiht“. Eine Segnung der Früchte sollte die Ernte stärken, für eine gelungene Ernte danken, aber auch die Weiterverarbeitung sichern.

Die Reformation übernahm diesen Brauch und legte mit der Zeit einen eigenen Sonntag dafür fest, den 1. Sonntag im Oktober. In der evangelischen, der katholischen und der anglikanischen Kirche kam es zu eigenen liturgischen Ausformungen der Feier. Das Erntedankfest ist so das einzige Fest im Jahr geworden, das sich auf die Vegetation bezieht. Alle anderen Sonntage feiern und bedenken das Christusmysterium.

Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn

Es bleibt abzuwarten, wie das neue ökologische Bewusstsein und auch die Ernährungsveränderungen in der westlichen Welt sich auf das Erntedankfest auswirken. Rein extensives Wirtschaften wird sich kaum mit „danken und denken“ vermitteln lassen. Die Predigtreihen der evangelischen Kirche deuten das in der Wahl der beiden Evangelien an: Der reiche Kornbauer stirbt in der Nacht und kann sein ökonomisches Streben nicht mehr auskosten. Das Leben ist ein Geschenk und steht in letzter Konsequenz außerhalb unseres Verfügungsbereichs. Das Evangelium aus der Bergpredigt erinnert daran, dass die Vögel nicht säen und ernten und der himmlische Vater sie dennoch ernährt.

Ganz wie in dem zu Erntedank sehr bekannten Lied nach Matthias Claudius: „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm dankt, drum dankt ihm dankt und hofft auf ihn.“

Ist Thanksgiving dasselbe wie Erntedank?

Und zum Schluss noch eine Anmerkung  zu Thanksgiving: Thanksgiving ist mitnichten das amerikanische Pendant zu Erntedank. Sicher teilen sich die Feste den Dank für die Früchte des Feldes, Thanksgiving aber ist ein staatlicher Feiertag, der auch die USA als von Gott gesegnetes Land feiert. Daher können auch Atheisten sich den Truthahn im Kreise ihrer Familie gut schmecken lassen. Diese Form der Zivilreligion hat das europäische Erntedankfest nie angenommen. Vielmehr fängt es die Ambivalenz menschlichen Wirtschaftens und Strebens ein.

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